Bundesgerichtshof zur Bindung des Reiseveranstalters an "vorläufige Flugzeiten"
von ebert
Der Kläger ist der bundesweit tätige Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer. Die Beklagte ist eine Reiseveranstalterin. Sie verwendet "Ausführliche Reisebedingungen", die u.a. folgende Regelungen enthalten:
"Die endgültige Festlegung der Flugzeiten obliegt dem Veranstalter mit den Reiseunterlagen. Informationen über Flugzeiten durch Reisebüros sind unverbindlich."
Der Kläger hält diese Klauseln für unwirksam.
Das Landgericht hat der Beklagten nur die Verwendung der ersten Klausel untersagt. Das Berufungsgericht hat beide Klauseln für unwirksam gehalten und ihre Verwendung verboten.
Der Bundesgerichtshof hat die dagegen gerichtete Revision der Beklagten zurückgewiesen.
Die angegriffenen Klauseln unterliegen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1* BGB. Sie benachteiligen den Reisenden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sind gemäß § 308 Nr. 4** und § 307 Abs. 1 Satz 1* BGB unwirksam.
Die erste Klausel modifiziert das Hauptleistungsversprechen des Reisevertrags nicht nur dann, wenn feste Flugzeiten vereinbart wurden, sondern auch dann, wenn im Vertrag nur vorläufige Flugzeiten genannt sind. Nach allgemeinen Grundsätzen der Vertragsauslegung sind "voraussichtliche" Flugzeiten zwar nicht unter allen Umständen exakt einzuhalten. Der Reisende darf aber berechtigterweise erwarten, dass die Reisezeiten nicht ohne sachlichen Grund geändert werden und dass der aus den vorläufigen Angaben ersichtliche Zeitrahmen nicht vollständig aufgegeben wird. Andernfalls ergäbe auch die § 6 Abs. 2 Nr. 2 BGB-InfoV*** vorgeschriebene Information des Reisenden über diese Zeiten keinen Sinn und würde der hiermit angestrebte Verbraucherschutz verfehlt. Demgegenüber ermöglicht die beanstandete Klausel dem Reiseveranstalter, die Flugzeiten beliebig und unabhängig davon zu ändern, ob hierfür ein sachlicher Grund vorliegt. Dies ist dem Reisenden, der berechtigterweise Sicherheit in der zeitlichen Planung der Reise erwartet, auch bei Beachtung der berechtigten Interessen des Reiseveranstalters, die vorgesehenen Flugzeiten veränderten oder bei Vertragsschluss nicht vorhersehbaren Gegebenheiten anpassen zu können, nicht zuzumuten.
Die zweite Klausel ermöglicht dem Reiseveranstalter, sich einer vertraglichen Bindung, die durch eine Information eines für ihn tätigen Reisebüros eintritt, zu entziehen. Darin liegt ebenfalls eine unangemessene Benachteiligung des Reisenden.
Urteil vom 10. Dezember 2013 – X ZR 24/13
LG Hannover - Urteil vom 13. März 2012 – 18 O 79/11
OLG Celle – Urteil vom 7. Februar 2013 – 11 U 82/12
Karlsruhe, den 10. Dezember 2013
* § 307 BGB
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) …
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden.
** § 308 Nr. 4 BGB
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind insbesondere unwirksam…
die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist.
*** § 6 Abs. 2 Nr. 2 BGB-InfoV
Die Reisebestätigung muss…folgende Angaben enthalten Tag, voraussichtliche Zeit und Ort der Abreise und Rückkehr
Quelle : www.Bundesgerichtshof.de
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