Pferde-Einstellbetrieb muss Schadensersatz für verunglücktes Pferd leisten
von ebert
Das Landgericht Potsdam hat in seiner Entscheidung unter dem Az 3 O 76/12 (rechtskräftig) entschieden, dass ein Pferdeeinstellungsbetrieb gegenüber der Einstellerin Schadensersatz zu leisten hat für ein zu Tode gekommenes Pferd.
Das Quarterhorse der Klägerin war aufgrund eines Pferde-Einstellungsvertrages bei dem Beklagten eingestellt. Zum Schadenstag befand sich selbiges auf einer Weide. Die Weide liegt unmittelbar angrenzend an eine Kreisstraße und ist mit Drahtzaun umgeben. Der Abstand der Koppelpfähle betrug 7 bis 8 m. An diesen waren jeweils 3 Litze mit einer Breite von ca. 2 cm befestigt, von denen die obere und untere Litze eine Spannung von 2000 Volt aufwiesen. Die mittlere Litze stand nicht unter Spannung. An einer Stelle des Zaunes war die untere Litze gedehnt. Eine den Unfall aufnehmende Kriminaloberkommissarin fertigte im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen folgenden Aktenvermerk:
Ich stellte fest, dass die Koppelpfähle mindestens 7 bis 8 m auseinander standen. Es gab drei, an manchen Stellen vier Koppeldrähte – Elektrozaunlitze -. Diese waren auf einer Höhe von ca. 35 bis 115 cm Höhe angebracht.
Eine Messung mit einem handelsüblichen Stromzaunmessgerät ergab auf der oberen und der unteren Litze eine Spannung von 2000 Volt, was beim Anfassen mit der Hand ein leichtes „Kribbeln“ auslöst (die mutige Kriminaloberkommissarin hatte ihre Hand an den Stromzaun auch gelegt).
Nach dem Unfall hatte der Beklagte die Stromstärke von 2000 Volt auf 3000 Volt erhöht.
Das Pferd der Klägerin war, weil die Koppel nach Auffassung der Klägerin nicht ordnungsgemäß eingezäunt war, aus der Koppel ausgebrochen, auf die Kreisstraße gelangt und ausgerechnet dort mit einem vorbeifahrenden Kraftfahrzeug kollidiert.
Das Kraftfahrzeug wurde schwer beschädigt, das Pferd wurde tödlich verletzt und verstarb an der Unfallstelle.
Die Klägerin berief sich darauf, dass nach den Richtlinien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, Reiten und Fahren, folgende Regelungen bestehen:
„Besonderes Augenmerk ist auf die Einzäunung zu richten. Der Koppelzaun soll stabil, verletzungs- und möglichst ausbruchsicher sein, also gut sichtbar und Respekt einflößend, je nach Pferdebestand zwischen 1,20 bis 1,50 m hoch. Die Zaunpfähle können aus Hartholz oder Stahlrohr oder Beton bestehen. Sie werden im Abstand von 2,50 m bis 4,00 m gesetzt. An die Pfosten werden mit 40 bis 50 cm Abstand von innen angebracht:
[…]
- Elektrobänder: gewebte Kunststoffbänder mit eingeflochtenen Edelstahldrähten 4 bis 6 cm breit, mittels Isolatoren an den Pfosten befestigt.
[…]
- Elektrobänder müssen mindestens 2000 Volt Hütespannung haben und auch noch an vom Stromgeber weit entfernten Stellen.
Das Landgericht Potsdam ging davon aus, dass der Beklagte aufgrund des Pensionsvertrages die vertragliche Pflicht hat, die Pferde so unterzustellen, dass sie nicht entweichen können. Gegen diese Pflicht hat der Beklagte nach Auffassung des Landgerichtes Potsdam verstoßen. Der die Weide des Beklagten umgebende Zaun stellte keinen ausreichenden Schutz gegen das Entweichen von Pferden dar.
Zwar konnte das Landgericht Potsdam nicht mit Sicherheit ermitteln, dass das Pferd ausgebrochen war. Aufgrund des Schadensbildes ging das Landgericht aber davon aus, dass das Pferd den Zaun aus eigener Kraft überwunden hat und nicht, wie von dem Beklagten als Möglichkeit vorgetragen, von Dritten von der Koppel geführt wurde.
Die Dehnung der unteren Litze an einer Stelle des Zaunes spräche dafür, dass das Pferd die mittlere Litze, die nicht unter Strom stand, mit dem Kopf hochgedrückt hat und dann auf die untere Litze gestiegen und diese herunter gedrückt hat und so aus der Koppel ausbrechen konnte.
Zwar sei eine absolute Sicherheit vor dem Ausbrechen von Pferden nicht zu gewährleisten. Nach der zutreffenden Auffassung des Landgerichtes seien aber die Voraussetzungen an den Zaun, den der Beklagte unterhielt und die wiederum der Bundesgerichtshof an einen Zaun stellt, nicht erfüllt gewesen.
So führt das Landgericht Potsdam aus, dass ein in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch die Sicherungseinrichtung nicht als ausreichend ansehen durfte.
Dies ergäbe sich aus einer Gesamtschau der vorliegenden Umstände. Insbesondere sei aus Sicht des Gerichtes die weite Entfernung zwischen den Koppelpfählen zu beanstanden. Aber auch die sonstige Konstruktion des Zaunes führe in seiner Gesamtheit und Lage dazu, dass kein ausreichender Ausbruchschutz gewährleistet wurde. Die Entfernung zwischen den Koppelpfählen sei mit 7 bis 8 m zu weit bemessen. Nach den Richtlinien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (auf die sich die Klägerin berufen hatte) sollte der Abstand zwischen den Zaunpfählen lediglich 2,50 bis 4,00 m betragen. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass die Leitlinien der FN und auch Leitlinien des Bundesministeriums keinen rechtsverbindlichen Charakter hätten.
Beide Leitlinien ergeben allerdings Anhaltspunkte für die bereichsspezifischen Sorgfaltspflichtanforderungen bei der Haltung von Pferden und können bei der richterlichen Überzeugungsbildung berücksichtigt werden.
Ebenso bemängelte das Gericht auch die Breite der Kunststoffbänder. Die Litzen hatten lediglich eine Breite von maximal 2 cm, während die Richtlinien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung eine Breite von 4 bis 6 cm für angemessen erachten.
Durch die zu geringe Dimensionierung sei der potentielle Kontaktbereich mit der Litze und damit auch die Hütefunktion des Zaunes herabgesetzt. Dies mache es dem Pferd einfacher, aus der Weide auszubrechen. Auch die Höhe des Zaunes biete keinen ausreichenden Schutz gegen den Ausbruch von Pferden.
Der Zaun auf einer Pferdekoppel müsse mindestens eine Höhe von 1,20 m erreichen, um seiner Hütefunktion gerecht zu werden.
Die wirklich rührige Kriminaloberkommissarin hatte ja eine maximale Höhe von 1,15 m als Zaunhöhe festgehalten. Der Beklagte selbst hatte behauptet, der Zaun habe eine Höhe zwischen 1,18 und 1,26 m, was nach Auffassung des Landgerichtes dazu führte, dass die Mindesthöhe von 1,20 m nach dem eigenen Vortrag des Beklagten nicht an allen Stellen eingehalten sei.
Der Beklagte hatte sich noch darauf versucht zu berufen, dass sich die Zaunhöhe von 1,20 m und höher nur auf die Haltung von Springpferden beziehen würde. Diesen Einwand ließ das Landgericht Potsdam unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des OLG Hamm nicht gelten, als dass es gerichtsbekannt sei, dass Pferde höher springen könnten als 1,20 m. Eine Zaunhöhe von 1,20 m sei deshalb für eine Pferdeweide nicht genügend.
Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Weide in unmittelbarer Entfernung einer Kreisstraße lag, hier bestünden erhöhte Sorgfaltsanforderungen.
Auch war das Landgericht Potsdam der zutreffenden Auffassung, dass das Pferd mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ausgebrochen wäre, wenn der Zaun eine ausreichende Hütefunktion aufgewiesen hätte.
Auch in diesem Fall ging es wiederum um eine Haftungsbeschränkung im Pferde-Einstellungsvertrag, mit der der Beklagte versucht hatte, im Vertrag eine Haftung zu beschränken. Diese Klausel befand das Landgericht Potsdam in der vorliegenden Form als unwirksam.
Letztlich war der Wert des Pferdes, weil die Höhe des Wertes von dem Beklagten bestritten wurde, durch ein Sachverständigengutachten ermittelt worden, die beauftragte Sachverständige schätzte den Wert des verstorbenen American Quarterhorse auf 13.500,00 €.
Den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen zu der Wertbildung schloss sich das Landgericht Potsdam dann letztlich an und verurteilte den Beklagten zu entsprechendem Schadensersatz.
Rechtsanwälte Winter
Prozessbevollmächtigte der Klägerin
Kamenz - Bautzen
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